Ich schaue mir gerade das vorläufige Endergebnis der Bundestagswahl 2009 an und kann mir nicht helfen, aber ich bin nicht nur enttäuscht, sondern auch ein klein wenig entsetzt. Fangen wir mal bei der Wahlbeteiligung an: Von 62.132.442 Wahlberechtigten haben es nur 43.235.817 (Erststimme) geschafft, überhaupt zur Wahl zu gehen und dabei eine gültige Stimme abzugeben, das sind schlappe 69,59%. Anders gesagt: Drei von zehn Leuten ist dieser ganze Politikzirkus egal. Ernsthaft wundern kann das niemanden, der Wahlkampf dieses Jahr kam einem ja auch vor wie eine Messe am Dienstagabend in Hintertupfing, gehalten von einem 90 Jahre alten Pfarrer (nein, ich weiß nicht aus eigener Erfahrung, wie das da zugeht, aber dafür habe ich eine recht blühende Phantasie). Und so sehr ich auch verstehen kann (nachvollziehen - nicht gutheißen!), wie sich jetzt alle Parteien (na ja, von der SPD mal abgesehen, die hatten wenigstens den Arsch in der Hose und haben zugegeben, daß es ein verheerend schlechtes Ergebnis war) ihre Ergebnisse schönreden, so findet man doch niemanden, der sich ernsthaft überlegt, ob das nicht auf ein ganz massives, systeminhärentes Problem hinweisen könnte, wenn in einer Demokratie, in der die Macht vom Volk ausgehen sollte, ein Drittel des besagten Volks es für unnötig hält, mal kurz 30 Minuten lang aufzustehen und eine Stimme abzugeben.

Rechnet man weiter kommt man darauf, daß CDU/CSU zusammen 17043693 der Erststimmen erhalten haben, das sind weniger als die Anzahl der Nicht- bzw. Ungültig-Wähler - und spätestens das sollte einen hellhörig machen. In einer Zeit, in der im Staate Dänemark, äh, in der Bundesrepublik, ja durchaus “ein paar” Probleme existieren, die man angehen sollte, ist so vielen Leuten Politik anscheinend egal? Bei den Zweitstimmen sieht es übrigens nicht viel besser aus (wenn überhaupt) - Erdgeist hat da mal einen Graphen zu gemacht.

Zu der Sache mit den Erst- und Zweitstimmen habe ich nicht wirklich eine Meinung, allein die Zahlen sind interessant: CDU/CSU haben zusammen 39,4% der Erst- und und 33,8% der Zweitstimmen erhalten und erzielen daraus 38,42% der Sitze im Parlament. Die SPD, mit 27,9% der Erst- und 23,0% der Zweitstimmen kommt auf 23,47% der Sitze. Dazu muß man jetzt keinen Kommentar abgeben (sind die Erststimmen doch das einzige bißchen direkte Demokratie, das uns in Deutschland noch bleibt), aber vielleicht wäre es wirklich mal an der Zeit, wenn man das Wahlrecht gerade im Hinblick auf die Überhangmandate nochmal genau unter die Lupe nimmt.

Bleibt das Ergebnis der Piratenpartei - 2,0% haben sie erzielt, und damit ein bißchen mehr als seinerzeit die Grünen bei ihrer ersten Bundestagswahl. In Zweitstimmen ausgedrückt sind das 845.904 - und eigentlich ist das eine ganze Menge, möchte man sagen. Das Problem ist hier ein anderes: Zum einen wird - da bin ich mir sicher - das von den großen Parteien so gewertet werden, daß man diese paar “Internetspinner” getrost ignorieren kann und zum anderen bin ich mir nicht sicher, ob die Piraten in vier Jahren nochmals zur Wahl antreten werden, denn ein wenig befürchte ich hier immer noch, daß es sich bei ihnen ein wenig um eine Art kurzelbiges Buschfeuer handelt. Trotzdem Glückwünsche, Leinen los und bleibt klar zum Ändern!

Musikalisch schwanke ich an diesem Morgen zwischen Benny Goodman’s Sing Sing Sing und American Wedding von Gogol Bordello - bei solchen Zahlen ist mir einfach nicht nach Klassik. Trotzdem wünsche ich Euch eine schöne Woche.

Update: Das war ja mal wieder klar, daß ich mit meiner eigenen Prophezeihung, ich würde mich am Wahlabend ärgern, recht behalten würde…